Kennt Ihr die Gelben Berge, the Yellow Mountains oder das Huang Shan-Gebirge? Tatsächlich nicht? Für mich als Gartengestalter ist dieser Ort der Archetypus einer konkreten, gleichzeitig aber auch einer überirdischen und märchenhaften Landschaft. Sie befindet sich in der Provinz Anhui im Süden Chinas. Sie ist Weltnatur – und Weltkulturerbe der UNESCO und gehört zu den touristisch am meisten frequentierten Orten im Reich der Mitte.
Was dieses Gebirge mit seinen 72 Gipfeln so einzigartig macht, sind die seltsam erscheinenden Felsformationen, seine besondere Vegetation – von rauen Witterungseinflüssen faszinierend gestaltete Kiefern – und die den Hängen entlang schwebenden Wolkenschwaden, die das Ganze zu einer unwirklich und gleichzeitig zauberhaften Szenerie werden lassen.
Wenn sich die Natur an einem Ort auf dieser Erde künstlerisch betätigte, dann dort! – Erblickt man dieses Naturschauspiel, muss man sich – verwundert über eine solche Perfektion – zwangsläufig die Frage stellen, wie diese Steinskulpturen entstehen konnten? Hatten hier allenfalls sogar Götter ihre Hände im Spiel?
Tatsächlich war über die vergangenen Tausende Jahre, während der die chinesische Hochkultur in ihren verschiedenen Dynastien immer wieder aufs Neue erblühte, jener Ort immer von mythischer und mystischer Bedeutung. Es rankten und ranken sich immer noch zahlreiche Legenden um diese Berge, in denen sich Götter, Jungfrauen, Drachen und Helden begegnen, in Liebe entbrennen oder ihre Schwerter kreuzen. Dieser Platz strahlt aber auch heute noch auf viele Menschen eine mystische Aura aus.
Nur schon der Name des höchsten Gipfels, Lianhuafeng oder Lotusblütengipfel, ist pure Poesie – man sollte ihn sich wie ein süsses Gebäck auf der Zunge zergehen lassen. Er inspiriert uns, in diesem Paradiesgarten mehr zu sehen und zu erahnen als tatsächlich da ist. Nicht umsonst haben auch chinesische Künstler dieser Landschaft gehuldigt und ihr wundervolle Gemälde vermacht, von denen die Herausragendsten aus der Song-, der Ming- und der Qing-Dynastie stammen. Diese Maler lebten oft als Einsiedler während Monaten oder sogar Jahren in diesen Bergen und liessen diese Umgebung erst lange auf sich einwirken und den genius loci in Fleisch und Blut übergehen, bis sie sich dann irgendwann im Stande glaubten, ihren Eindruck auf Papier zu bannen.
Unter dem Namen „Shan Shui“, was übersetzt „Berg – Wasser“ bedeutet, entstanden so während vielen Dynastien bis in die heutige Zeit wunderbare Landschaftsgemälde (meistens als Rollbilder), die sich stilmässig über die Jahrhunderte natürlich veränderten, aber jene atemberaubende Gebirgskulisse als wichtigste Inspiration immer beibehielt.
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