Jenseits vom Meer kommt er her, der wohl berühmteste Halbedelstein – der Lapis Lazuli (Lapis: lat. Stein; lazuli von lazulum, mittellat.: urspr. aus dem Arabischen stammend, bedeutet „blau“). Es gibt ausser in Australien auf allen Kontinenten Vorkommen dieses wertvollen Steins, doch die berühmtesten Minen befinden sich bei Sar-é Sang im Kokscha-Tal in der Provinz Badakhshan in Afghanistan.
Ultramarinblau wird sein besonderer Farbton genannt, weil er nach der damaligen Vorstellung jenseits vom bekannten Meer (ultra – marin), dem Mittelmeer herkam. Man nimmt an, dass bereits vor 7000 Jahren Lapis Lazuli abgebaut wurde, und dieser einerseits zu Schmuckstücken verarbeitet, andererseits daraus aber auch das Farbpigment Ultramarin- oder auch Königsblau hergestellt wurde.
Ich habe mir meinen ersten Lapis Lazuli als Rohstein bereits als Kind beim Mineralienhändler Siber & Siber gekauft – es war ein kleiner Ausschussstein, den ich mir mit meinem Taschengeld leisten konnte – trotzdem war ich fasziniert von diesem Blauton, der mich auf eine seltsame Art in seinen Bann zog.
Bei schönem Wetter ist es, abhängig von der Tageszeit, genau diese Farbvalenz, die das Himmelsgewölbe ausfüllt. Wir wissen natürlich, dass dieser Sinneseindruck durch Lichtbrechungen in der Erdatmosphäre zu erklären ist, denn der Weltraum ist ja, abgesehen von den wenigen Lichtflecken, pure Schwärze. Trotz dieses Wissens ist ein wolkenloser Himmel für uns himmelblau, so nehmen wir ihn wahr und erfahren dementsprechend auch spezifische Emotionen, die sich mit Sicherheit von denen unterscheiden, die wir bei einem grau-verhangenen Himmel verspüren würden.
In der Romantik des 19. Jahrhunderts wird die „Blaue Blume“ zum Symbol für die Sehnsucht. Oftmals ist es die Sehnsucht nach der Ferne, aber auch die Sehnsucht nach der Liebe, so wie diese in der Kunst der Romantik verstanden wird.
Der Lapis Lazuli in der Malerei
Farbe ist immer auch Frequenz, im Falle des Ultramarinblaus des Lapis Lazuli ist es eine Frequenz, die sich am kurzwelligen Ende des sichtbaren Farbspektrums befindet. Frequenzen lösen in uns immer etwas aus, es werden Emotionen evoziert, die gerade bei einem intensiven Blauton etwas „Transzendentes“ an sich zu haben scheinen. Warum die Faszination für diese Farbe? Man kann mit Sicherheit sagen, dass das Königsblau vor allem in früheren Zeiten nur sehr sparsam eingesetzt wurde, nicht nur, weil es eine kostbare Farbe war, sondern weil seine Intensität auch etwas Besonderes zum Ausdruck bringen sollte. In den Stundenbüchern des Herzogs von Berry wurde Ultramarinblau – hergestellt aus eben jenem Lapis Lazuli – für das Mariengewand beim Blatt „die Heimsuchung“ verwendet.
Ein Steingarten mit Lapis Lazuli
Vor einigen Jahren habe ich mir von einem Mineralienhändler aus Hong Kong einige Kilogramm dieses kostbaren Steins zuschicken lassen, da ich Grosses vor hatte. Ich stellte mir schon lange die Frage, wie wohl ein „Steingarten“, bei dem nur Lapis Lazuli verwendet würde, aussehen könnte. Skurril und extravagant – mit Sicherheit! Die meisten Probebeschauer waren seltsam berührt, eher ratlos, und grosse Begeisterung wollte auch nicht so richtig aufkommen. Natürlich wurde von einigen auch die Frage aufgeworfen, ob dies überhaupt ein echter Stein wäre. Ich musste feststellen, dass es eine echte Herausforderung darstellt, mit diesem Stein im grösseren Rahmen etwas zu gestalten. Unsere Wahrnehmungsgewohnheiten akzeptieren diesen Blauton ab und zu über uns am Firmament oder auch in liquider Form in den Sommerferien beim Blick hinaus auf’s Meer, doch im Garten – da wird’s irgendwie schwieriger.
Die Goldmaske des Tutanchamun
Gehen wir nochmals zurück in die Antike und zwar nach Ägypten. Im Jahr 1323 vor Christus wurde dem jung verstorbenen König Tutanchamun als wohl wichtigste Grabbeilage eine Totenmaske mitgegeben, die zusammen mit anderen Schätzen Howard Carter 1922 unter mysteriösen Umständen im Tal der Könige entdeckte.
Bei dieser Maske, einem Kunstwerk, wie es vollkommener nicht sein könnte, wurden neben Gold auch verschiedene Halbedelsteine verwendet, wobei dem Lapis Lazuli eine besondere Rolle zukam. Nur bei der Umrandung der Augen kam der echte, gediegene Stein zur Verwendung, dort wo sonst die schwarze Augenschminke, der sogenannte „Kajal“ aufgetragen wurde.
Bei den blauen Bändern rund um das Gesicht, die sich mit den Goldbändern abwechseln, handelt es sich um ultramarinblau gefärbtes Glas, das den Lapis Lazuli imitieren soll. Diese Farbkombination von goldgelb und blau finden wir in diesem Stein ebenfalls. Ein echter und hochwertiger Lapis Lazuli zeichnet sich neben seinem tiefen, reinen Blau – Quarzeinschlüsse sollten möglichst fehlen – vor allem dadurch aus, dass dieses von feinen Pyritäderchen oder Pyritflocken durchzogen ist, die diesen Halbedelstein in seinem Ausdruck noch kostbarer erscheinen lassen.
Ein Mosaik mit Lapis Lazuli
Lange liessen wir die Idee, mit Lapis Lazuli im Garten etwas zu gestalten, ruhen. Beinahe haben wir sie schon aufgegeben, doch vor zwei Jahren wurde uns dann endlich die Möglichkeit gegeben, für einen Kundenwunsch diesen Stein zu verwenden. Bei einem kleinen Mosaik-Gartensitzplatz sollte als zusätzliche Zierde eine Kinderzeichnung der Tochter unserer Auftraggeber in Stein verewigt werden. Da jener Schmetterling in den Farben Königsblau und Türkis gemalt war, lag es natürlich nahe, unsere Kunden für unseren Lieblingsstein zu begeistern.
Für die Farbe Türkis haben wir ihnen nicht den Stein mit demselben Namen, sondern den Halbedelstein Chrysokoll vorgeschlagen. Mit dem Carrara-Marmor kontrastierend, heben sich diese beiden, sich ideal ergänzenden Farben deutlich von jenem weissen Hintergrund ab.
Rückblickend muss ich feststellen, dass die Intensität, die Strahlkraft dieses Ultramarins es kaum zulässt, dass es in grossen Mengen allein, ohne zu irritieren, verwendet werden darf. Wie kaum eine andere Farbe entfesselt es Emotionen, die uns vielleicht mehr über uns wissen lassen, uns aber auch vor Augen führen, dass das Leben als Ganzes ein Mysterium bleiben wird.
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