Der Park Seleger Moor, zwischen Hausen am Albis und Rifferswil im Säuliamt des Kantons Zürich gelegen, ist ein einmaliger Garten, dessen Protagonisten – die blühenden Rhododendren und Azaleen – diesen Ort ab Anfang April bis Ende Mai in ein berauschendes Farbenmeer tauchen, das den Besucher für einen kurzen Moment den Rest seiner Welt vergessen lässt.
Der im Jahr 2000 verstorbene visionäre Landschaftsarchitekt Robert Seleger hat 1953 das Rifferswiler Moor für sich als idealen Standort zur Anzucht und Vermehrung von Rhododendren entdeckt. Aus diesem anfänglich bescheidenen Garten ist in den vergangenen Jahrzehnten ein weit über die Landesgrenzen hinaus bekannter Park mit Rhododendren, einer beachtlichen Farnsammlung und vielen anderen aussergewöhnlichen Pflanzenarten entstanden.
Ausser der heimischen Alpenrose (Rhododendron ferrugineum), die auch dieser bedeutenden Pflanzenfamilie angehört, stammen die meisten im Seleger Moor gezeigten Rhododendren aus Ostasien und Nordamerika. Robert Seleger brachte viele Pflanzen von seinen Reisen in diese Länder zurück in die Schweiz und kreuzte diese teilweise dann in seinem Park mit bereits bekannten Arten, um so noch resistentere Pflanzen gegen Kälte zu bekommen.
Da ich selber in Hausen am Albis aufgewachsen bin und dieses Hochmoor buchstäblich vor meiner Haustüre hatte, verbrachte ich schon als Kind sehr viel Zeit einerseits im Park Seleger Moor, andererseits aber auch im „Alten Moor“ (Chrutzelen: der „alte“ Teil des Rifferswiler Moores), das sich in Richtung Hausen am Albis an den Park Seleger Moor anschliesst. Es waren die beiden Orte, wo ich mir gewissermassen das ABC über unsere einheimische Pflanzen- und Tierwelt selber aneignete. Natürlich sind es im Park Seleger Moor eher die Exoten, die ich mir visuell-ästhetisch einverleibte, im „Alten Moor“ vor allem die einheimische Fauna und Flora, die sich hier in der Form eines echten Hochmoores präsentiert. Als Kind war es für mich immer ein Abenteuer, den Park, wie auch das Naturreservat zu durchstreifen und gelegentlich Frösche, Molche, Eidechsen und Schlangen zu fangen, um sie dann in den verschiedenen Biotopen im eigenen Garten wieder auszusetzen. Natürlich war dies verboten, doch ein sich nur langsam entwickelndes schlechtes Gewissen wurde in allen Fällen von einem überraschend aufkommenden Jagd- und Sammeltrieb hinweggefegt, ohne dass es mir je gelungen wäre, jenem in irgendeiner Weise zu widerstehen.
Der Park Seleger Moor ist Teil eines Hochmoores, das sich mit Unterbrüchen über die ganze Ebene zwischen den drei Ortschaften Hausen am Albis, Kappel am Albis und Rifferswil in die Landschaft eingliedert. Dieses Hochmoor ist nicht etwa ein hoch in den Bergen gelegenes Moor, wie man dem Namen nach vermuten könnte, sondern ein einzigartiger Lebensraum in saurer Umgebung, der eigentlich nur ganz wenigen Pflanzen und Tieren als Lebensgrundlage zur Verfügung steht. Es handelt sich um eine durch das Torfmoos Spaghnum über Jahrtausende gebildete Torfdecke, die sich normalerweise über die übrige Landschaft erhebt und sich aus einem Flachmoor, über den sogenannten Bruchwald langsam zu einem Hochmoor heranbildet.
Das Torfmoos beginnt bereits in fünf Zentimeter Tiefe langsam abzusterben und verwandelt sich so über Jahrzehnte und Jahrhunderte in den wertvollen Torf, der abgestochen und heute vor allem der Gartenerde beigemischt oder auch in reiner Form für Moorbeete in Gärten verwendet wird. Noch bis in die 70er-Jahre wurde auch in der Schweiz Torf abgebaut, heute ist dies aber verboten, weil mittlerweile sämtliche Hochmoore der Schweiz unter Naturschutz gestellt wurden.
Die Verwandlung in den Torf ist aber nur die erste Stufe eines Millionenjahre dauernden Prozesses, der den Torf bei einer Druckzunahme erst einmal in die Braunkohle und dann in die Steinkohle verwandelt. Wird diese unter weiter ansteigendem Druck weiter verdichtet und ihr noch einmal Feuchtigkeit entzogen, entsteht daraus die hochwertigste Kohlensorte Anthrazit. Am Ende dieses Transformationsprozesses klärt unter maximalem Druck der schwarze Kohlenstoff auf und belohnt uns in Ausnahmefällen mit dem härtesten, auf der Erde existierenden Material, dem Diamanten.
In den neunziger Jahren war ich ab und zu im Park Seleger Moor, um Pflanzen zu kaufen. Dabei hatte ich immer wieder einmal die Ehre, von Robert Seleger persönlich in seinem Golfclub-Elektromobil im Park herumkutschiert zu werden. Es schien ihm in seinen letzten Lebensjahren sichtlich Vergnügen bereitet zu haben, mir und wahrscheinlich auch anderen Besuchern, sein grossartiges Reich mit all seinen Kostbarkeiten zu zeigen.
Ausser wenigen Neuzüchtungen sind Rhododendren auf diese saure Umgebung unbedingt angewiesen. Im Park Seleger Moor wird für diese Pflanzen in erster Linie die typisch schwarze Moorerde, die zusätzlich mit Torf vermischt wird, verwendet. Ausser einer regelmässigen Düngung ist es gerade bei den grossblütigen Rhododendren nachdem sie geblüht haben, notwendig, ihre Blüten „auszubrechen“. Dabei muss jede einzelne verwelkte Blüte von Hand unterhalb ihres Ansatzes abgebrochen werden, damit die sich heranbildenden Samenkapseln nicht weiter mit wertvoller Energie und Nährstoffen versorgt werden können. Diese Energie stünde dann teilweise den Blütenknospen des folgenden Jahres nicht mehr zur Verfügung, was mit der Zeit dazu führen würde, dass eine Pflanze nicht mehr gleichermassen dicht mit Blüten übersät sein und entsprechend auch ihre gewünschte Wirkung verlieren würde.
Vor fast zehn Jahren habe ich im Park Seleger Moor ein mehrmonatiges Praktikum gemacht. Ausser Unkrautjäten wurde mir von Roland Dünner, dem Obergärtner des Park Seleger Moores, die ganz besondere Aufgabe zugeteilt, jene zu Ende gegangene Blütenpracht in der eben beschriebenen Weise von vielen Rhododendren zu entfernen. In dieser Zeit muss ich wohl über hunderttausend Blüten ausgebrochen haben. Dies mag ziemlich eintönig klingen, doch die Zeit damals im Moor habe ich auch sehr genossen.
Denn die frühen Morgenstunden – ich habe immer von sieben bis zwölf Uhr gearbeitet – war die Zeit, wo vor allem der Gesang der Vögel, aber auch das Licht des Morgens diesem Ort einen unglaublichen Zauber geschenkt haben.
Es hat sich in den vergangenen Tagen und Wochen ergeben, dass ich den Park Seleger Moor immer wieder besucht und die überbordende Blütenpracht wieder einmal hautnah miterlebt habe.
Es fühlte sich an, als ob man einem Feuerwerk beiwohnen würde, das eben nicht nach einer Viertelstunde schon zu Ende ist, sondern erst nach mehreren Wochen. Am letzten Mittwochabend, kurz vor dem lang ersehnten Gewitter, war aus meiner Sicht ein erster Höhepunkt.
Ich hatte das Vergnügen, an jenem Tag ein befreundetes Ehepaar mit fünf Kindern während zwei Stunden durch den Park zu führen. Angeregt durch die wundersam verschlungenen Wege, die intensiven Düfte, die vor allem von einigen Azaleen verströmt wurden, und eben jener viel gepriesenen Farbfülle wurden sie von einer Lebensfreude überwältigt, die eben durch nichts Anderes als die Natur selbst herbeigeführt werden kann.
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